Statistiken, Inflation und andere Märchen

Jede Statistik ist nur so gut wie man sie selbst gefälscht hat.

Nicht nur bei der Inflationsberechnung entwickeln die statistischen Ämter eine unglaubliche buchhalterische Kreativität.

Flotte Bilder, lausige Inhalte

Im Zeitalter der Powerpoint-Präsentationen lassen sich Sachverhalte wunderbar darstellen. Mit aufgepeppten Bildern, flotten Sprüchen und netten Statistiken werden Zuhörer mit einem multimedialen Feuerwerk beglückt.

So hilfreich die technischen Spielereien sind, so bedenklich sind die Möglichkeiten der Meinungsmanipulation. Ohne zu lügen kann durch geschickte Wahl der Argumente und Auslassung unpassender Aspekte die Meinungsbildung in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.

Dagegen ist nichts einzuwenden, solange man bei der Wahrheit bleibt und das Publikum die Chance hat, damit kritisch umzugehen. Handelt es sich beispielsweise um eine Verkaufsveranstaltung, ist jedem klar, dass damit der Veranstalter / Referent bestimmte Ziele verfolgt. Schwieriger wird es, wenn es sich um Statistiken von amtlicher Stelle handelt. Hier genießt der Staat (zumindest in Deutschland) einen Vertrauensbonus.

Jetzt werden Sie vielleicht denken, was kann bei Statistiken schon falsch sein? Eine Zahl ist eine Zahl. Deutschland hat gemäß amtlicher Statistik des Bundes und der Länder 81,835 Millionen Einwohner (Stand Ultimo November 2009). Okay, aber nicht immer ist es so leicht. Bei anspruchsvolleren Auswertungen sieht das schon anders aus.

Manipulation mit staatlichem Segen

Bestes Beispiel ist die hedonische Inflationsberechnung (Auf der Suche nach der wahren Inflation). Dort werden bei der Berechnung des Warenkorbs einzelne Bestandteile unterschiedlich gewichtet bzw. gar nicht berücksichtigt. Schwanken die Energiepreise sehr stark, so werden sie bei der Berechnung schwächer gewichtet.

Die Argumentation lautet, dass starke Schwankungen nicht repräsentativ für die Inflationsentwicklung sind. Die Folge ist, dass die offiziell ausgewiesene Inflation nicht die Realität widerspiegelt. Wenn etwa die Energie- und Nahrungsmittelpreise stark steigen, dürfte die (gefühlte) Inflation höher liegen als der öffentliche Ausweis.

Nun, für mich haben gestiegene Energiepreise durchaus Relevanz: im Winter heize ich, mein Wagen braucht Benzin und ohne Essen und Trinken geht es nicht. Wer Statistiken betrachtet, muss sich immer über das Kleingedruckte informieren. Leider. Nur wer die Prämissen und Ausnahmen kennt, kann deren Aussagegehalt einschätzen und korrekt interpretieren.

Rosarote Brille

Um beim Beispiel der hedonischen Inflationsberechnung zu bleiben – könnte es wirtschaftliche Interessen geben, die Inflation niedriger auszuweisen als sie „tatsächlich“ ist? Eine hohe offizielle Inflationsrate könnte die Gewerkschaften veranlassen, mehr Lohn für die Arbeitnehmer zu fordern. An den Verbraucherpreis-Index gekoppelte Verträge führen zu höheren Kosten. Die Beispiele lassen sich endlos fortsetzen. Es gibt handfeste wirtschaftliche Interessen, die eine objektive Ermittlung der Inflationsrate erschweren.

Generell sind komplexe Statistiken mit Vorsicht zu genießen. Weltmeister im Schönen von Wirtschaftsstatistiken sind die USA. Das Handelsblatt vom 4. Juni 2010 titelt zu Recht auf Seite 6 „Der Statistik-Schmu der Amerikaner“. So wird beispielsweise der Chat- und Spiele-Computer eines Teenagers gezählt wie zehn Rechenmaschinen eines Unternehmens von 1990. Durch diesen buchhalterischen Trick wird mehr Wachstum durch technischen Fortschritt vorgegaukelt und findet Einklang in die Wirtschaftsstatistiken.

Täuschen, tarnen, tricksen

Wer glaubt, dass sei die Ausnahme, muss leider enttäuscht werden. Das Handelsblatt nennt weitere Statistik-Tricks:

  • Die Verbuchung als Investition nutzt aus, dass beim Bruttoinlandsprodukt Abschreibungen auf Investitionen das BIP erhöhen. (Ein Beispiel: Rüstungsausgaben werden in Deutschland als Staatsausgaben definiert. Damit fließen sie nur einmal in das BIP. Amerika behandelt Rüstungsausgaben als Investition. Damit erhöhen sie als Abschreibung in den Folgenjahren zusätzlich das BIP).
  • Das BIP und die Produktivität der US-Lehrer steigen, nur weil gleich viele Lehrer mehr Schüler in größeren Klassen unterrichten.
  • Ein Teil der Bank-Produktion wird nicht mehr als BIP-neutrale Vorleistung verbucht, sondern als Endprodukt. Dadurch steigt das BIP, obwohl keine Mehr-Leistung erzielt wurde.
  • Die hedonische Qualitätsbereinigung schönt die Produktivität

Auffällig ist, dass viele der buchhalterischen Kniffe dazu dienen, die Inflation niedriger auszuweisen und gleichzeitig eine höhere Produktion darzustellen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.