Die Hindenburg war der Stolz der deutschen Luftfahrt, bis es im amerikanischen Lakehurst in Flammen unterging. In den letzten Wochen schwebte es als Geisterschiff durch die Börsensäle. Kündigt das Hindenburg-Omen – welch aufregender Name für einen technischen Indikator – einen bevorstehenden Crash an? (Bildquelle Wikipedia)

Kein Börsencrash in den letzten Jahrzehnten ohne Hindenburg-Omen. Dass lässt aufhorchen. Mitte August verkündeten die Analysten das erste Hindenburg-Omen seit zwei Jahren. Jetzt haben wir rund vier Monate Zeit, uns auf ein Börsendebakel einzustellen, hieß es. Ein Monat ist rum. Wir leben noch und die Märkte befinden sich eher oben (an der nervigen Trading-Range) als unten.

Meine Scans signalisieren eine robuste Marktstruktur, die das Zeug zu weiteren Kursgewinnen hat. Das Luftschiff ist gut unterwegs. Ich stelle mir die Frage, ob die Märkte jetzt den großen Ausbruch zu neuen Kursgipfel starten? Lassen wir das Luftschiff ziehen. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.

Was ist vom Hindenburg-Omen zu halten? Es beruht auf fünf technischen Bedingungen. Eine Bedingung lautet, dass von den an der New Yorker Börse gehandelten Aktien mindestens 2,2 Prozent ein neues 52-Wochen-Hoch und mindestens 2,2 Prozent ein neues 52-Wochen-Tief erreichen müssen. Die anderen Bedingungen sind teilweise wesentlich komplizierter, sodass ich darauf nicht eingehe.

Die Logik hinter dem Omen lautet, Marktphasen zu identifizieren, wo das Börsenpublikum extrem uneins ist. Es gibt sowohl sehr optimistische wie auch pessimistische Marktakteure, aber die große Mehrheit ist unentschlossen. Es bedarf nur eines Funkens, um den panikartigen Wechsel in ein extremes Lager auszulösen. Die Idee, die dahinter steht, klingt plausibel. Ein gesunder Börsenaufschwung sollte von der Mehrzahl der Aktien getragen werden. Steigen nur noch die großen Aktienindizes, während der breite Markt beständig fällt, ist Vorsicht angebracht.

Leichte Bauchschmerzen bekomme ich bei dem Gedanken, dass fünf, zum Teil sehr komplizierte Regeln bei dem Hindenburg-Omen verwendet werden. Wer sich mit der Programmierung von Handelssystemen beschäftigt, kennt das Problem des curve fitting. Man lässt den PC so lange rechnen, bis er zum gewünschten Ergebnis die Bedingungen ermittelt hat. Wie aus Zauberei hat man einen Wunder-Indikator gefunden, der in der Vergangenheit hervorragend funktioniert hätte! Für die Zukunft ist dem Wunder-Indikator ein Platz in Grimms’ Märchen sicher.

Häufig folgten nach dem Hindenburg-Omen keine Aktienmarkteinbrüche. Die Quote der Fehlsignale liegt weit über 50 Prozent. Damit befindet sich das Omen in guter Gesellschaft mit vielen anderen technischen Indikatoren und Analystenprognosen, wo der Münzwurf eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit hat.

Keine Frage, mehren sich die technischen Warnsignale, ist Obacht angebracht. Der Weltuntergang ist deshalb längst keine beschlossene Sache! Jeder Prophet hat irgendwann einmal Recht. Die Frage ist nur wann. Nützlich wird die Hellseherei erst, wenn der Prophet mehrmals hintereinander richtig liegt und die Erfolgswahrscheinlichkeit signifikant ist. Bis dahin lassen Sie sich von Crashpropheten und Bauernfängern nicht den Tag verderben. Verbringen Sie Ihre kostbare Zeit mit den schönen Dingen des Lebens.