Montag fünf Prozent runter, Mittwoch vier Prozent rauf, Freitag vier Prozent runter. Was sich wie das Börsen-Jojo eines exotischen Marktes anhört, ist die Fieberkurve des DAX. Die Anleger sind nicht zu beneiden. Noch weniger die Finanzberater, Banker und Nachrichtensprecher, die fast jeden Tag mit Erklärungen für die verunsicherten Kunden aufwarten müssen. Die einfachste Erklärung liegt in dem Wort Baisse. Ob nun ein EZB-Volkswirt aus „persönlichen Gründen“ geht oder nicht – entscheidend ist die Anfälligkeit des Marktes für unerwartete (negative) Nachrichten. Die Kurse machen die Nachrichten.

Es ist müßig, jetzt ständig über das „Warum“ zu diskutieren. Als Anleger sollte man seine Schäflein im Trockenen haben (also eine hohe Liquiditätsquote), um das Geschehen weitestgehend unbeschadet und objektiv verfolgen zu können. Wenn man sich trotzdem jeden Tag den Kopf über die Hintergründe zerbrechen will, verliert man wenigstens kein Geld.

Grämen Sie sich nicht über Minizinsen auf dem Festgeldkonto bei einer seriösen Bank. Hauptsache sicher. Denken Sie einfach daran, was Sie dafür preiswert einkaufen können, wenn sich die Märkte ausgetobt haben. Allein diese Woche „verbilligten“ sich DAX-Aktien um weitere sechs Prozent. Überspitzt (und akademisch nicht ganz richtig) formuliert: „Wo bekommt man sechs Prozent in einer Woche“. Haben Sie Geduld.

Da Angst und Gier einen gerne auf die falsche Fährte locken, folgt ein passender Auszug eines älteren Textes, der während der Baisse 2008 in den Ausgaben der Investment Ideen „zur Wahrung der Disziplin“ präsent war :

Sehr geehrte Damen und Herren,

Bärenmärkte sind heimtückisch. Hoffnungsvollen Kurserholungen folgen immer wieder kräftige Abwärtsschübe, die die Märkte auf neue Tiefs führen. Eine Baisse endet erst dann, wenn die letzten Anleger völlig entnervt das Handtuch geworfen haben und sich kaum einer vorstellen kann, dass es auch länger aufwärts gehen kann. Eine Baisse kennt keine Gnade. Manche verlieren dabei „Haus und Hof“, andere wollen nie wieder etwas mit Aktien zu tun haben. Das ist nachvollziehbar. Vielen Profis ergeht es nicht besser. Institutionelle sind kaum noch investiert und flüchten in vermeintlich sichere Anlagen. Obwohl im Endstadium einer Baisse die Bewertungen auf historisch günstige Niveaus gedrückt wurden und in einem von Zockern bereinigten Markt die besten Voraussetzungen für eine neue Hausse geschaffen sind, will keiner diese enormen Chancen wahrnehmen. Und das, obwohl in einer anschließenden Hausse Depotverdopplungen keine Ausnahme sind.

Im Gegenteil, von einem extrem gedrückten Kursniveau sind Dinge möglich, über die ich lieber nicht schreiben möchte. Dennoch werden die meisten Menschen diese Chancen leider verpassen. Geschockt von den Eskapaden einer Baisse, werden jene – wenn überhaupt – erst wieder an die Märkte zurückfinden, wenn alles in schönstem Licht erscheint und jeder ein Loblied auf Aktien singt. Leider sind die Kurse dann schon viel, viel höher. Vermutlich lauert die nächste Baisse an der Ecke. Wer so handelt, den bestraft der Markt gleich doppelt: Erst verpasst er die Haussegewinne und anschließend überfällt ihn die Baisse. Ich bin schon sehr zufrieden, wenn ich einen ordentlichen Teil der Haussegewinne sichern kann und die Baisse mir nur ein kleines Stück wieder abluchst. Hausse und Baisse sind untrennbar miteinander verbunden und wechseln sich seit Ewigkeiten ab. Das wird diesmal nicht anders sein.

Baissen dauern im Durchschnitt 18 Monate. Aber eben nur im Durchschnitt. Nach der Dow Theory begann die jetzige im Herbst 2007. Mir erscheint die Baisse schon weit fortgeschritten. Die beschleunigten Kursverluste in den letzten Wochen, begleitet von dramatischen Ereignissen in der realen Welt, deuten darauf hin. Aber meine Meinung ist nicht maßgeblich: Der Markt allein entscheidet, wann eine Baisse beendet ist. Solange das nicht der Fall ist, bleibe ich weiterhin zurückhaltend mit Musterdepottransaktionen. Bitte haben Sie dafür Verständnis. In einer Baisse genießt der Kapitalerhalt oberste Priorität. Denn nur wem es gelingt, bis zum Start der nächsten Hausse genügend Kapital zu sichern, kann in den Genuss einer Depotverdopplung oder gar Vervielfachung kommen. Bis dahin heißt es Geduld, Geduld und nochmals Geduld. Aber da erzähle ich Ihnen, liebe Leser, nichts neues und muss Ihnen ein ganz, ganz großes Kompliment aussprechen!

Ich bin sehr zuversichtlich, mit den Musterdepots einen großen Satz nach vorne zu machen, wenn die Märkte wieder in den Haussemodus schalten. Das war in der Vergangenheit schon immer so. Dann kommt die Zeit, die Musterdepots gut zu bestücken. Ob Russlandkrise, Asienkrise, LTCM-Zusammenbruch, der Anschlag auf das World Trade Center oder die Baisse in 2000/03 – die Musterdepots sind aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen.

Insofern bin ich der jetzigen Baisse dankbar, dass sie den Boden für zukünftige Gewinne ebnet und ich mich auf historisch günstige Bewertungen freuen kann, aber Spaß macht es beileibe nicht, den fallenden Kursen zuzuschauen. Da ist eine Hausse wesentlich angenehmer. Und wer weiß, vielleicht ist dieser „Baisse-Beitrag“ ein gutes Zeichen, quasi eine Art Kontraindikator? Schön wäre es. Freuen wir uns auf die nächste Hausse!

[Zitat Ende, Beitrag aus den Investment Ideen 2008]