Für einen Paukenschlag sorgte der neue Präsident der Europäischen Zentralbank gleich in seiner ersten Sitzung. Draghi senkte überraschend die Zinsen von 1,5 auf 1,25 Prozent. Respekt für die mutige Entscheidung. Damit demonstriert er Handlungsstärke in der Krise, auch wenn sich über die Inhalte streiten lässt. Kritiker befürchten eine Anfachung der Inflation. Der angeschlagene Euro könnte weiter an Vertrauen verlieren. Wichtigste Aufgabe der EZB sei Stabilitätspolitik, nicht Wirtschaftspolitik.
Inflationsfalken ist das im Mai 2010 beschlossene Aufkaufprogramm von „Schrott“-Staatsanleihen notleidender Schuldenstaaten wie Griechenland oder Portugal ein Dorn im Auge. Die einen brandmarken es als Sündenfall. Die EZB gebe ihre Souveränität auf. Sie würde zum Handlanger der Politik und öffne die Geldschleusen in unanständiger Weise. Auf der anderen Seite glänzen die Regierungen durch Handlungsunfähigkeit. Ausgerechnet in einer Situation, wo konsequente Maßnahmen dringend erforderlich sind. Die EZB springt in die Lücke und ergreift Initiative.
Draghi betont, dass die Sondermaßnahmen begrenzt sind. Das ist gut so, setzt aber voraus, dass die Politik endlich ihrer Verantwortung gerecht wird. Die EZB kann den Karren nicht allein aus dem Dreck ziehen. Draghi ist nicht dafür zu beneiden, dass er wie schon sein Vorgänger versucht die Kohlen aus dem Feuer zu holen, und dafür massive Kritik erntet. Natürlich ist es bedauerlich, dass die honorigen Errungenschaften der alten Bundesbank untergraben werden, aber angesichts der Konsequenzen einer Vollbremsung des Finanzsystems erscheint es in einem milderen Licht.
Fazit: Liquidität ist der Schmierstoff für Börse und Wirtschaft. Etwas Inflation schadet nicht. Es bleibt abzuwarten, ob der Spagat zwischen Gelddrucken und Wahrung der Geldwertstabilität gelingt. Die Beantwortung dieser Frage hängt nicht nur von den Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen ab, sondern das Vertrauen der Bevölkerung in sie.