Heute schon geturtelt? Das Millionen-Experiment

„Wir werden Trader züchten, genauso wie sie in Singapur Schildkröten züchten.“

So wettete Trading-Guru Richard Dennis mit seinem Freund William Eckhardt. Damit nahm das größte und geheimste Trading-Experiment seinen Anfang – vor etwa 25 Jahren. Das Ziel: Gewöhnliche Menschen zu eingefleischten Tradern zu formen.

Was kann man heute davon noch lernen? Eine ganze Menge. Ich kann jedem Anleger nur empfehlen, sich mit den Strategien und Methoden legendärer Trader zu beschäftigen. Dazu gehören Persönlichkeiten wie Jesse Livermore, Nicolas Darvas, Gerald M. Loeb oder Bernard M. Baruch, um nur einige zu nennen. Aus der jüngeren Vergangenheit fallen mir spontan Larry Williams, Ed Seykota oder Bill Dunn ein. Natürlich gibt es eine ganze Reihe weiterer herausragender Trader, aber ich möchte mich aus aktuellem Anlass auf die Turtles konzentrieren.

Denn in wenigen Tagen wird Curtis M. Faith, das damals jüngste Mitglied der Turtle Trader, in seinem neuen Buch die Psyche der Turtles offenlegen. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Jeder, der seit Jahren erfolgreich an den Märkten handelt, kennt die Bedeutung der Psychologie. Die beste Methode nützt nichts, wenn man sich selbst nicht in den Griff bekommt.

Worum geht es bei den Turtles?

Die Turtles sind der lebende Beweis wie man mit einer relativ unkomplizierten Vorgehensweise Millionen scheffeln kann. Mit einem einfachen Channel Breakout Ansatz, der auf Trends basiert, erzielten sie außerordentliche Renditen. Nicht nur das sie weit über zig Millionen US-Dollar in wenigen Jahren erspekulierten, alle Turtles waren ohne fundierte Börsenerfahrung und nur durch einen zweiwöchigen Schnellkurs zum Trader ausgebildet worden. Das klingt wie ein Börsenmärchen, ist es aber nicht. Lesen Sie dazu das Buch von Michael Covel.

Im Prinzip geht es darum, einen Auf- oder Abwärtstrend möglichst lange profitabel zu begleiten. Trends existieren auf allen Märkten. Ob Aktien, Rohstoffe, Renten, Währungen oder Immobilien – der Fantasie sind nahezu keine Grenzen gesetzt. Ohne die Existenz von Trends ließen sich Kursdifferenzen nicht profitabel nutzen. Die Turtles identifizierten Trends und folgten ihnen konsequent. Sie beschäftigten sich nicht mit der Hellseherei. Das steht im krassen Gegensatz zur Prognosewut der Wall Street. Die Wahrscheinlichkeitstheorie war eines ihrer wichtigsten Werkzeuge.

Kann man heute noch damit Geld verdienen?

Haben sich die Märkte inzwischen verändert und kann man mit solchen Methoden noch Geld verdienen? Nichts deutet darauf hin, dass die grundlegenden Prinzipien an Gültigkeit verloren haben. Zwar ändern sich von Zeit zu Zeit die Märkte und Handelsobjekte, die besonders geeignet erscheinen, aber sonst scheint alles beim Alten geblieben zu sein. Warum auch: Menschliche Verhaltensweisen ändern sich nicht so schnell, Angebot und Nachfrage bestimmen seit jeher die Preise an den Märkten. Kurse sind die elementare Informationsquelle. In ihrer unverfälschten Form sprechen sie eine deutliche Sprache. Es kann nur abwärts, aufwärts oder seitwärts gehen. Jeder Indikator, jede x-te mathematische Ableitung verwässert die Aussagekraft.

Warnung vor dem „gesunden Menschenverstand“

Folgen Sie einfach dem Trend und versuchen Sie nicht zu prognostizieren wie lange er laufen wird. Der „gesunde Menschenverstand“ könnte Sie sonst davon abhalten ihm zu folgen. Oder er verleitet Sie dazu, viel zu früh auszusteigen – einfach weil höhere Kurse nicht vorstellbar sind. Befreien Sie sich von starren Vorstellungen, Prognosen und „treffsicheren“ Expertenmeinungen. Hören Sie nicht auf die Hellseher und Gurus, sondern auf die Märkte und betrachten Sie den tatsächlichen Verlauf. Schließlich ist es der Markt, der Sie belohnt oder finanziell ausbluten lässt. Zwingen Sie nicht dem Markt ihre vorgefertigte Meinung auf. Er kennt Sie leider nicht und wird seinen eigenen Weg gehen. Um jeden Preis Recht behalten zu wollen, kann sehr kostspielig an der Börse werden. Warum nur beherzigen so wenige das allseits bekannte Motto „Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen“? Psychologen kennen die Antwort. Wir auch.

(Der Beitrag wurde am 10. Juli 2009 auf Value Stocks veröffentlicht)