Besser als die Experten?

Frühindikatoren

Statt unreflektiert auf die üblichen Wirtschaftsprognosen und andere Hellseher zu hören, ziehe ich einen Blick auf nachvollziehbare Frühindikatoren vor, um einen ersten Eindruck über das „große Bild“ zu erhaschen. Mir ist bewusst, dass diese nicht unfehlbar sind, meine Interpretation falsch sein kann oder andere Unwägbarkeiten mich in die Irre führen können. Aber warum sollte ich Analysen vertrauen, die eine weitaus geringere Erfolgswahrscheinlichkeit als ein Münzwurf mit „Kopf oder Zahl“ aufweisen? Das wäre nicht nur unklug, sondern auch Zeitverschwendung. Zeit ist ein höchst wertvolles Gut, da unwiderruflich begrenzt.

Selektive Wahrnehmung

Die Finanzmarktkrise tritt zunehmend in den Hintergrund. Zwar bricht hier und da eine Bank zusammen, aber die Aktienmärkte stört es schon lange nicht mehr. Nachdem die asiatischen Märkte (allen voran China) um die Jahreswende einen Boden ausgebildet haben, folgten die europäischen und US-Märkte im Verlaufe des Jahres. Die Aktienmärkte signalisieren seit Monaten einen Wirtschaftsaufschwung, während sich Medien und Analysten in tiefem Pessimismus badeten. Kein Wunder nach den dramatischen Bank- und Unternehmenszusammenbrüchen. Wer auf die zaghaften Lichtblicke einer Erholung hinwies wurde als unverbesserlicher Optimist dargestellt. Gute Nachrichten wurden ausgeblendet, schlechte in den Schlagzeilen bevorzugt präsentiert.

Nachdem die Aktienmärkte nicht mehr zu übersehen auf Hausse geschaltet haben, wird die Berichterstattung zuversichtlicher. Die Schlagzeilen häufen sich, in denen das Ende der Rezession verkündet wird. Es dauert nicht mehr lange und die Aktienmärkte werden öffentlichkeitswirksam als günstig bezeichnet. Mit dem steigenden Optimismus kehrt das Börsenpublikum langsam zurück. Ob in Form von Einzelinvestments, Investmentfonds oder ETFs – entscheidend ist, dass die Käufer von morgen die Kurse weiter treiben werden.

Börse und Wirtschaft laufen zeitversetzt

Die zeitliche Schere zwischen Realität – Erwartung – Kursentwicklung führt dazu, dass die Aktienmärkte mit den Kursteigerungen schon längst die positiven Zahlen und Erwartungen von heute widerspiegeln. Wären diese nicht erfüllt worden, stünde ein Kursrutsch bevor. Die Börsen laufen der Zeit voraus. Wer 1:1 Nachrichtenlage und Kursentwicklung als Anlageentscheidung berücksichtigt, läuft Gefahr sich böse zu schneiden.

Unbekanntes treibt die Märkte

Damit die Börsen weiter steigen können, müssen in der Zukunft Nachrichten bekannt werden, die heute noch nicht eingepreist sind und die Mehrheit der Marktteilnehmer positiv überrascht. Da ich leider nicht über die Gabe der Hellseherei verfüge und lieber dem Markt folge, als ihn vorhersehen zu wollen – welche Möglichkeiten von Konjunkturfrühindikatoren könnte ich dennoch nutzen?

Kupfer als Frühindikator

Es gibt ein reichhaltiges Instrumentarium, das den Rahmen hier sprengen würde. Ich bevorzuge lieber wenige, aber gut verständliche Indikatoren als ein Indikatorenorchester, das wild durcheinander spielt und die Musik nicht verständlich ist. Ein guter Konjunkturfrühindikator ist Kupfer. Kupfer gilt als unentbehrlicher Rohstoff für die Wirtschaft und neigt dazu, am ehesten auf eine Wiederbelebung zu reagieren. Betrachten Sie den Chart dazu. Er spricht eine deutliche Sprache.

Kupfer

Abbildung 1: Kupfer ist ein unentbehrlicher Rohstoff für die Wirtschaft. Nach einem dramatischen Einbruch steigt der Preis seit Jahresanfang wieder. Quelle: Market Maker

Baltic Dry Index

Ein weiterer Frühindikator für den Welthandel ist der Baltic Dry Index. Er wird von der Baltic Exchange in London veröffentlicht. Der Index berücksichtigt das weltweite Verschiffen bedeutender Rohstoffe wie Zement, Kohle oder Eisenerz, die in Produktionsprozessen auf vorderster Stufe benötigt werden.

Der Baltic Dry Index hat wie der Kupferpreis seit Jahresanfang eine kräftige Rallye hingelegt. Der Index signalisierte eine Stabilisierung der Wirtschaft, lange bevor nur ein Wort davon von der Analystenschar zu hören war. Von rund 772 Indexpunkten zu Jahresbeginn stieg er bis zum Hoch im Juni auf 4.291, um dann den Rückwärtsgang auf 2.752 einzulegen. Nach dem Anstieg eine verdiente Atempause.

Natürlich fallen bei solch groben Betrachtungen wichtige Details unter den Tisch (so ist China mit seinem Rohstoffhunger für den Löwenanteil des Anstiegs verantwortlich), aber hier geht es um die große Tendenz. Mehr nicht.

Ein Blick auf den Langfristchart zeigt, von wo der Index kommt. Bis zu den alten 10.000 Gipfeln ist noch reichlich Luft. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es ist nur ein Blick in die Vergangenheit und muss sich nicht so wiederholen. Jedoch beflügelt die Vergangenheit die Fantasie der Menschen.

2 Kommentare
  1. Im Handelsblatt ist ein passender Beitrag („Die Börse hat ein gutes Gespür für die Konjunktur“) dazu erschienen: http://www.handelsblatt.com/finanzen/anlagestrategie/wachstumshoffnung-die-boerse-hat-ein-gutes-gespuer-fuer-die-konjunktur;2486897