Ich sehe was, was Du nicht siehst
So heißt ein beliebtes Spiel. Was denken Sie spontan beim Blick auf den Chart? Lange ging es abwärts mit dem Aktienindex. Der Abwärtstrend scheint gestoppt. Gar nicht so schlecht für eine Bodenbildung.
Abbildung 1: Der Markt hat sich ausgetobt, immer billiger – kommt jetzt die Zeit für clevere Käufer?
Der Index scheint die Kurve zu kriegen. Nach Jahren der Trübsal und einjähriger Bodenbildung könnte es bald wieder aufwärts gehen. Bahnt sich eine Kaufchance an?
Abbildung 2: So sieht das schon viel klarer aus. Wirklich?
Kaufchance!
Falls Sie das spontan bei den obigen Charts gedacht haben, sollten Sie einen Verkauf ihrer Aktien erwägen. Die obigen Charts repräsentieren den wichtigen US-Aktienindex S&P 500, nur auf den Kopf gestellt. So sieht es richtig herum aus:
Abbildung 3: Gefahr einer Top-Bildung. Es ist nichts entschieden, aber als Investor sollte man mehrere Szenarien einkalkulieren und offen sein für Überraschungen.
Hoppla, Top-Bildung!
Aus einer Bodenbildung wird eine Top-Bildung. Überrascht? Würden Sie zu dem gleichen Schluss kommen, wenn Sie den dritten Chart zuerst gesehen hätten?
Der Blick durch die rosarote Brille
Ich möchte hier nicht weiter auf die Wahrscheinlichkeit einer Top-Bildung eingehen, sondern auf eine menschliche Schwäche. Wir neigen dazu, überall Muster zu sehen, die uns in den Kram passen. Ein buntes Indikatorenparlament oder fundamentale Analysen sind genauso anfällig für Psychofallen. Es werden nur die berücksichtigt, die die eigene Meinung unterstützen.
Ich empfehle eiserne Regeln und eine bewährte Anlagestrategie als Gegenmittel.
War doch klar
Angenommen wir sehen eine mehrmonatige Top-Bildung mit anschließendem Absturz. Die schlauen Börsenhistoriker werden im Nachhinein messerscharf begründen, warum man den Absturz lange vorher sehen konnte. Erstaunlich nur, dass so viele Anleger und Experten immer wieder auf den Markt hereinfallen.
Es ist niemals klar
Es ist nur im Nachhinein klar, nicht bevor es geschehen ist! Eine mehrmonatige Top-Bildung könnte typischerweise begleitet werden von dem Tenor Kursrückgänge sind Kaufchancen, normale Konsolidierung, fehlende Anlagealternativen usw. Kommt ihnen das bekannt vor? Die Börsengeschichte ist voll mit „klaren“ Kaufempfehlungen, die im Fiasko endeten.
Prominente Klarer-Kauf-Falle
Die Gold- und Rohstoffhausse endete nicht an einem Tag, sondern zog sich über ein Jahr hin. Wer die Zeichen des Marktes erkannte und akzeptierte, konnte dem Debakel (weitestgehend) entkommen. Selbst als das Goldschiff kielunter war, wurde weiter dafür getrommelt. Klarer Kauf bis zum Depotexitus.
Es wird wieder passieren
Nur an anderer Stelle. Es wird wieder viele auf dem falschen Fuß erwischen. Wie kann man sich wappnen? Einen Totalschutz gibt es nicht, aber eine erfolgreiche Anlagestrategie mit positivem Erwartungswert ist der Börsenkompass, der einen durch die Untiefen navigieren kann.
In Schönwetterphasen wird man mit Weitblick, Börsenzeitschriften und Glück einigermaßen klarkommen, aber wenn die See rauer wird, ist ein bewährter Anlagekompass unerlässlich.
Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest, Zufriedenheit und reichlich Gesundheit!
Ihr
Heiko Aschoff